04. bis 28. September 2025 // Eröffnung am 04.09. um 18:30 Uhr
Eva-Maria Horstick – Kunst an den Grenzen: Mode, Krieg, Städte und die Töchter der Erde
Mode und Menschlichkeit, Krieg und Würde, dokumentierte Realität und poetische Verwandlung – Eva-Maria Horstick vereint scheinbare Gegensätze in einer künstlerischen Praxis, die keine blinden Flecken kennt. Sie ist eine Grenzgängerin: zwischen Oberfläche und Tiefe, zwischen Bild und Erfahrung, zwischen Licht und Dunkelheit. Ihr Leben führte sie durch verschiedene Welten – vom Glanz der Mode bis an die Frontlinien des Balkankriegs, von urbanen Nächten bis zu seelischen Landschaften, die keine Kamera ganz erfassen kann. All das wird in ihrer Arbeit sichtbar – leise, intensiv und unverkennbar.
Über die Ausstellung:
„Seit 1988 befasse ich mich mit den Themen Natur und Umwelt, als ich noch nicht eine Ausstellung zu bestreiten hatte – sondern noch als Choreografin mit der Mode unterwegs war. Natur berührte und berührt mich. Die ersten Fotografien entstanden von mir zum Thema Baumsterben mit einer jungen Frau namens Heidi – aus dem Münsterland – zu der ich immer noch Kontakt habe. Weitere SW-Werke mit Frauen folgten 1992 bis 1994 im Revier. Eine weitere Arbeit mit Fotografien und Installation kam 1999 zum Thema Plastikmüll und Umwelt, wobei ich 2 Wochen den Müll sammelte und mit zwei Menschen (Adam und Eva) ablichte auf einer blühenden Wiese. Die Fotos gibt es noch im Archiv. Der Zeit voraus… offenbar.“ (Eva-Maria Horstick)
Brandzeichen der Natur – Eine Installation aus Baum-Asche (2006–2009/2025)
Zwischen 2005 und 2009 entstanden, wird diese Installation für mehr Bewusstsein – erstmals in der aktuellen Form in Dortmund am 04. September 2025 eröffnet.
„Baum-Asche – 20 Jahre von mir in kleinen Kosmetikgläsern gesammelt und über all die Jahre aufbewahrt, dient als materielles Mahnmal brennender Natur. Brände, Unwetter und die vergehende Lebendigkeit der Wälder treten dabei in den Fokus: Aus den Ascheresten werden Mahnmale zu vergangener Energie. Wie begegnen wir dem Feuer, dem Sturm und der Erde? Es verschwinden ganze Wälder und damit die Energien von zig Tausenden Bäumen und Tieren. Im Hintergrund alte analoge SW-Fotografien aus den damaligen Serien. Eine sinnliche Erinnerung an Naturveränderungen, die uns alle betreffen…und immer schlimmere Ausmaße annehmen. Präsentation der Asche in transparenten Behältern, gesammelter Kosmektikware aus Glas in einer feinen, lichtdurchlässigen Art der Gläschen – sieht man die Aschen diverser Baumsorten. Was brennt in unserer Welt? Buche, Fichte, Haselnuss u.a. Baumarten. Die Erstarrung von Ereignissen in Materialform. Was von uns allen bleibt ist zumeist Asche, wenn wir uns verbrennen lassen. Hier habe ich Miniurnen für die Bäume erstellt zu Erinnerung an die Feuer, die nicht nur Bäume vernichten, sondern Tiere, Menschen und Bewohner von Städten und Dörfern.“ (Eva-Maria Horstick)
Krieg gesehen, nicht erdacht
Eva-Maria Horstick spricht nicht aus der Distanz über den Krieg – sie hat ihn gesehen. Im Kosovo war sie nicht nur Zeugin, sondern Teil einer Realität, in der die Menschlichkeit auf dem Prüfstand stand. Inmitten zerstörter Städte und traumatisierter Menschen begann sie ihre erste dokumentarische Arbeit gegen Menschenhandel – Bilder, Interviews, Aufnahmen, die sich dem Vergessen verweigern. Sie dokumentierte, was nicht verschwinden darf: Gewalt, Ausbeutung und menschliche Würde.
Diese Erfahrungen sind keine Randnotiz – sie sind zentral für ihren künstlerischen Ansatz. Ihre Kunst fragt: Wie bewahren wir Würde in einem System, das sie entzieht? Wie sprechen wir über Schmerz, ohne ihn zu verraten? Ihre Antwort: Indem sie das Unsichtbare zeigt, zuhört, erzählt – mit Empathie, nicht mit Spektakel.
Mode als Code, nicht als Flucht
Eva-Maria Horstick kennt die Modewelt. Sie hat in ihr gearbeitet, sie inszeniert, aber auch dekonstruiert. In ihren Projekten steht Mode nicht für Konsum oder reine Schönheit, sondern für eine Oberfläche, die von etwas Tieferem spricht. In Serien wie „Töchter der Erde“ begegnen sich Models und Nicht-Models auf Augenhöhe. Es geht um Präsenz, Menschlichkeit und Sichtbarkeit von Diversität – nicht um Körpernormen oder ästhetische Standards.
„Töchter der Erde“ bringt Frauen aus unterschiedlichen Lebensrealitäten zusammen – nicht um Unterschiede zu betonen, sondern um Verbindungen sichtbar zu machen. Es ist ein Gegennarrativ zum traditionellen Modeideal: Frauen, die Geschichten tragen – im Blick, in der Haltung, in den Narben. Jedes Bild wird zu einem stillen Akt der Würde.
Nächtliche Städte – wenn Orte ihr Gesicht verlieren
Ein weiteres zentrales Element in Horsticks Werk ist die Fotografie nächtlicher urbaner Landschaften. Keine verschwommenen Frauenbilder, wie manchmal fälschlich angenommen – sondern Städte, die ihr Gesicht verloren haben. Im Dunkeln verlieren sie Struktur, Orientierung, Definition. Klare Linien lösen sich auf, Lichtpunkte flackern, Fassaden verschwimmen. Was bleibt, ist Atmosphäre – ein Gefühl von Isolation, Unruhe oder Stille, das sich in den urbanen Raum einprägt.
Diese Werke sind weder rein dokumentarisch noch surreal – sie besetzen einen Zwischenraum, wie vieles in ihrem Schaffen. Auch hier werden sie zu „seelischen Landschaften“ – nicht von Individuen, sondern kollektiven Zuständen. Die verschwindende Stadt steht für eine Welt, in der Identität sich auflöst und Bedeutung fragil wird.
Dokumentation, Dekonstruktion, Würde
Die Kontraste, die Eva-Maria Horstick erforscht, sind nicht künstlich konstruiert – sie entspringen ihrem eigenen Leben. Der Kontrast zwischen Krieg und Mode ist kein ästhetisches Mittel, sondern biografische Realität. Zwischen dokumentarischer Arbeit gegen Ausbeutung und ästhetischen Erkundungen von Identität liegt kein Bruch, sondern eine verbindende Linie – ein ethischer Faden, der sich durch ihr gesamtes Werk zieht.
Über alle Projekte hinweg bleibt ein Thema zentral: Würde. Ob in der Darstellung von Frauen, der Dokumentation von Gewalt oder der visuellen Behandlung von Stadtlandschaften – Horstick sucht immer nach dem, was bleibt, wenn alles andere wegfällt. Ihre Kunst ist kein Ort des Spektakels, sondern der Reflexion, der Fragen, der Menschlichkeit.
Kunst als Haltung, nicht als Dekoration
In einer Zeit, in der Kunst oft auf Likes, Trends oder Marktwert reduziert wird, steht Eva-Maria Horstick für eine andere Haltung: Kunst als Position. Ihre Arbeit fordert aufmerksames Sehen, Innehalten, Empathie. Sie stellt Fragen, wo andere Antworten geben. Sie enthüllt, wo andere ablenken. Ihre Bilder sind oftmals unbequem und tief einladend – weil sie nicht diktieren, sondern Raum eröffnen.
Eva-Maria Horstick „Treppentwist…“
04. bis 28. September 2025
Eröffnung am 04.09.2025 um 18:30 Uhr
Finissage am 27.09.2025 um 16:00 Uhr
Öffnungszeiten:
Donnerstags 16 bis 19 Uhr
Samstags 13 bis 16 Uhr
20.09.2025 von 13 bis 21 Uhr geöffnet (DEW21 Museumsnacht)!
HANS B, Hansastraße 6-10, 44135 Dortmund
Ein Projekt im Rahmen von KOMMEN BLEIBEN GEHEN – Kreative Projekte an temporären Orten.