Dortmunder U erneuert “Fliegende Bilder” – Adolf Winkelmann blickt auf Entstehung zurück

 

Seit dem 23. November sind die Lichter über Dortmunds Dächern erloschen. Die “Fliegenden Bilder” auf dem Dortmunder U mussten aufgrund einer Generalüberholung für ein paar Wochen abgeschaltet werden. Grund genug für deren Schöpfer, den Filmkünstler Adolf Winkelmann, auf die seit zehn Jahren anhaltende Erfolgsgeschichte der “Bilder” zurückzublicken, die ursprünglich nur für ein Jahr den First des Turms bespielen sollten.

Das Dortmunder U “ist ein mystischer Ort”, erklärte Adolf Winkelmann dem WDR im Mai 2010. Hintergrund war der Start seiner “Fliegenden Bilder” als Teil des Leuchtturmprojekts Dortmunder U im Rahmen von “Ruhr.2010 – Kulturhauptstadt Europas”. “Mystisch” sei der Ort etwa deshalb, weil unter dem Turm im Jahr 1906 mit 400 römischen Münzen der größte Schatz dieser Art diesseits der Alpen gefunden wurde.

In den letzten Jahren machten aber vor allem sieben Meter hohe Tauben, schwarz-gelbe Tischfußballer oder jüngst, als Reaktion auf die Einschränkungen durch die Pandemie, gelbe Schilder mit der Aufschrift “Abstand halten!” den besonderen Reiz des U aus. “Die sind nicht etwa gelb, weil ich das besonders BVB-mäßig finde”, erklärt Adolf Winkelmann, „sondern deshalb, weil der Turm kein Weiß ‘mehr kann'”, und verweist so auf einen Grund, warum alles, was mit den “Fliegenden Bildern” zu tun hat, eine Auffrischung benötigt.

Besseres Seherlebnis

So sind viele der rund eineinhalb Millionen LEDs, vor allem die blauen, nach jahrelangem Dauereinsatz nicht mehr zu gebrauchen. “In der Kombination mit den anderen LEDs in rot und grün entsteht weiß; fallen die blauen aus, bekommt man gelb”, führt der Künstler weiter aus, ein Umstand, der auch Medienschaffende inspiriert. So waren auf dem U zum ersten Mal gelbe Abstandsschilder zu sehen, Teile der Presse hatten dieses Symbol dann ein paar Tage später übernommen. “Und das nur, weil bei uns die blauen LEDs kaputt sind”, sagt Winkelmann amüsiert.

Neben den LEDs und den dazu gehörigen Steuermodulen wird auch die komplette Hardware erneuert. Leistungsfähigere PCs sorgen etwa dafür, dass die Macher*innen hinter den Kulissen die Filmclips künftig als 3D-Simulation in einer Vorschau betrachten können. Eine neue Software passt die Bilder präziser in die Architektur ein, sie können so passgenauer vor den unterschiedlich breiten Fenstern des Turms platziert werden. Alles in allem ein nicht geringer Aufwand, der von einem Fachingenieurbüro geplant wurde und den Betrachter*innen ein weit verbessertes Seherlebnis bieten wird.

“Tauben im Ruhrgebiet?”

Dass die “Fliegenden Bilder” einmal eine solche Erfolgsgeschichte schreiben würden, die das U zu der Landmarke Dortmunds machen würden, war am Anfang ihrer Entstehung nicht abzusehen.

Ende 2007 erhielt Adolf Winkelmann einen Anruf aus Düsseldorf. Der damalige Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff fragte ihn nach seinen Ideen für das U als Teil des “Kulturhauptstadt Europas”-Projekts. “Ich habe mich gefragt, warum fragt er mich? Was habe ich als Filmemacher mit so einer Architektur zu tun?” In den Tagen und Wochen nach dem Telefonat “umkreiste” der Künstler das Gebäude immer wieder, er machte Fotos und ließ sich verschiedene Ideen durch den Kopf gehen.

Der gedankliche Durchbruch erfolgte auf einer Zugfahrt frühmorgens von Dortmund nach Köln, der Künstler war auf dem Weg zu einem Gedankenaustausch mit Grosse-Brockhoff. “In der Bahn – ich hatte im Kampf gegen die Langeweile so vor mich hingezeichnet – kam mir die Idee: Ich möchte über den Dächern der Stadt Dortmund Tauben ansiedeln!” Später, in einem Café am Kölner Dom, entgegnete Winkelmann dem verdutzten Staatssekretär (“Tauben im Ruhrgebiet? Das ist ja eine ganz neue Idee”), “die Tauben, die ich meine, sind sieben Meter groß und ganz aus Licht”. “Und dann”, erinnert er sich lachend zurück, “habe ich einmal im Leben etwas richtig gemacht. Auf seine Frage, ob ich denn wisse, wie das funktioniert, habe ich geantwortet ‘Ja klar!’, obwohl ich keinen blassen Schimmer davon hatte, wie das gehen könnte.”

Unterschätzte Tragweite

Dass die Bilder funktionieren, ist längst im Wortsinn ersichtlich. Ob vom Hafen oder der Schützenstraße aus, von vielen Stellen im Stadtgebiet ist das U deutlich zu erkennen. Zahlreiche Dortmunder*innen lassen es sich als Zeichen der Identifikation mit “ihrer” Stadt sogar auf die Haut tätowieren. Bei der Einfahrt im Hauptbahnhof wissen Bahnreisende mit Blick aus dem Fenster auch ohne die Auskunft des Zugbegleiters, dass sie in Dortmund sind.

Aufgrund der Strahlkraft des U, das als “Zentrum für Kunst und Kreativität” für den Strukturwandel in der Stadt steht, ist es aus heutiger Sicht kaum zu glauben, dass Winkelmanns Bilder nur für ein Jahr gezeigt werden sollten: “Das war 2010 allen Beteiligten klar, die Sache läuft für ein Jahr als Dortmunder Beitrag zum Thema Kulturhauptstadt, und fertig. Die Tragweite hatte damals keiner auf dem Schirm.”

Zartes Bild für Weihnachten

Aus einem Jahr wurden zehn Jahre, ein Ende ist nicht in Sicht. Der Künstler begreift seine “Fliegenden Bilder” längst als eine Langzeitinstallation, durch die, wie in einer extremen Zeitlupe, verschiedene Bilderwelten in den Köpfen der Betrachter*innen entstehen, “die alle zu diesem U-Turm gehören”. Da ist er wieder, dieser “mystische Ort” voller Bilder, die man zwar aktuell nicht sieht, die aber hoffentlich bis Weihnachten, “so das Wetter mitspielt”, wie Winkelmann einräumt, zurück sind. “Es ist ein ganz zartes Bild in Vorbereitung, ein sanfter, neblig-grauer Himmel, es fallen Schneeflocken. Und über Silvester, wenn wir die ganze Nacht mit voller Leistung spielen können und so der ganze Stadtteil erleuchtet ist, denke ich noch nach.”

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