Wie prägen bestimmte Räume unser Verhalten zueinander?
‘When it moves, strengthening its skin’ ist ein Programm mit Performances und Installationen, das an zwei aufeinanderfolgenden Samstagen im Umfeld zweier nordrhein-westfälischer Ausstellungsinstitutionen stattfindet: im Garten des Kunstvereins Bielefeld und dem öffentlichen Bunnemannplatz sowie einem mehrstöckigen Parkhaus, das in unmittelbarer Nachbarschaft zum Dortmunder Kunstverein liegt. Beide Programme stehen unter einem Titel. Sie teilen eine vorsichtige Aufmerksamkeit für die Art und Weise, wie wir Räume im Kontext ihrer jeweiligen symbolischen und visuellen Besonderheiten bewohnen und die Bedingungen gemeinschaftlicher Erfahrung erkunden. When it moves, strengthening its skin vereint unterschiedliche Beiträge internationaler Künstler*innen wie Elisa Barrera, Bitsy Knox, Nils Amadeus Lange, Mira Mann, Sveta Mordovskaya, PRICE, Margaux Schwarz und Noemi Weber, die in der Bewegung und räumlichen Aneignung dem Verhältnis von Beziehungen und dem Umgang miteinander nachgehen. Die Auftaktveranstaltung findet am 30. Juli 2022 im Garten des Kunstvereins Bielefeld statt.
Eine Woche später, am 6. August findet When it moves, strengthening its skin am Dortmunder Kunstverein statt. Ab 16 Uhr wird das benachbarte Parkhaus und das darüberliegende Plateau des Emil-Moog Platzes zu einem Begegnungsort künstlerischer Interventionen umgedeutet. Das Parkhaus ist ein Funktionsraum, ein unterbauter Zwischenort im Sinne einer Station des Umstiegs, der Passage oder Transits, der aus seinem ruhenden und die Mobilität beruhigenden Zustand in eine sich über menschliche Beziehungen, Anziehung und Imagination definierte Stimmung versetzt wird. So beschäftigen sich die Performances von Noemi Weber mit Milena Weber und Karina Villafan sowie von Margaux Schwarz mit dem Status von körperlichen Verhältnissen und Beziehungen, die an einem lediglich auf Fahrzeuge und Nutzen ausgerichteten Ort verhandelt werden. Noemi Webers Choreografie ab 16 Uhr untersucht die Nähe und Distanz zwischen Mutter und Säugling, die keine repräsentativen Formen in der Öffentlichkeit besitzt. Im performativen Sound-Stück von Margaux Schwarz um 19 Uhr hingegen, werden zwei Autos so platziert, als ob sie sich in einem Beichtstuhl befänden. PRICE führt im Skript einer vergangenen Performance theatralische Narrative der Popkultur anhand filmischer Szenen und Liedstrophen vor. Doch nicht nur performative Praktiken erlauben die Aneignung semi-öffentlicher Räume. Während die skulpturalen und malerischen Arbeiten von Elisa Barrera die Möglichkeiten von Fiktion und Überblendung in städtischen Nutzräumen ebenso befragen, wie sie das Potenzial der Aneignung erproben, prüft Sveta Mordovskaya mit ihrer Installation die assoziative Wirkung von Stroh. Welcher Effekt entsteht durch dieses schlichte und agrarische Material in einer modernen urbanen Betonlandschaft, wie nähern wir uns einer solchen installativen Inszenierung an?
Performanceprogramm
am 30. Juli ab 16 Uhr Kunstverein Bielefeld (Garten)
am 6. August ab 16 Uhr Dortmunder Kunstverein (Goldbeck Parkhaus, Emil Moog Platz 13)
Die Besucher*innen sind eingeladen, die zum Teil eigens für die beiden Orte entwickelten Beiträge der Künstler*innen abseits eines herkömmlichen Ausstellungskontexts wahrzunehmen und sie nach ihrer möglicherweise sich überschneidenden, ergänzenden oder widersprechenden Bedeutungen in einer für Kunst oftmals architektonisch und räumlich ungewohnten Umgebung zu befragen.
When it moves, strengthening its skin findet statt auf Einladung von Paolo Baggi und Florentine Muhry, im Rahmen von Residence NRW⁺, einem praxisorientierten Stipendienprogramm für Künstler:innen und Kurator:innen im Bereich der Gegenwartskunst, das der Kunsthalle Münster angegliedert ist:
BIOGRAFIE KÜNSTLER:INNEN
Elisa Barrera lebt in Hamburg und ist Künstlerin und Mitbegründerin des Kunstraums Come Over Chez Malik’s (Hamburg, 2014). Im Jahr 2021 wurde sie mit dem Arbeitsstipendium für bildende Kunst der Freien und Hansestadt Hamburg ausgezeichnet. Zuletzt nahm sie an Ausstellungen bei Lucas Hirsch (Düsseldorf, 2021), Lateral Roma (Rom, 2021) oder Peach (Rotterdam, 2021) teil.
Bitsy Knox ist eine in Berlin lebende Künstlerin, Performerin, Dichterin und Radiomoderatorin. Ihre Arbeiten wurden unter anderem in der Klosterruine, den KW Institute for Contemporary Art und dem MACBA präsentiert. Ihre Texte sind in mehreren Publikationen erschienen und werden 2022 bei e-flux und Sternberg Press veröffentlicht. Ihre experimentelle Musik- und Poesie-Radiosendung Something Like wird monatlich auf Cashmere Radio und 96.5 CHFR Hornby Island Radio ausgestrahlt.
Nils Amadeus Lange lebt in Zürich und arbeitet als Künstler, Performer und Dozent. Nach dem Studium der Theaterwissenschaften an der Hochschule der Künste Bern erweiterte er seine Praxis auf verschiedene Medien, mit einem Schwerpunkt auf Tanz und Performance, die er in zahlreichen internationalen Projekten entwickelt. Seine Arbeiten wurden in verschiedenen Institutionen wie der Kunsthalle Basel, der Kunsthalle Zürich und dem Ujazdowski Castle Centre for Contemporary Art Warschau gezeigt.
Mira Mann lebt in Düsseldorf, wo sie an der Kunstakademie bei Dominique Gonzalez-Foerster studierte. Ihre Performances, Installationen, Publikationen und Kollaborationen wurden in Gruppen und Einzelausstellungen wie u.a. im Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, bei Urbane Künste Ruhr/ Dortmunder Kunstverein, im Lantz’schen Skulpturenpark und in der Simultanhalle Köln gezeigt.
Sveta Mordovskaya lebt in Zürich und studierte bei Heimo Zobernig an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Einzelausstellungen wurden im Kunstverein Kevin Space, Wien (2022), Weiss Falk, Basel und Cherish, Genf (beide 2020) gezeigt.
Die Arbeit von PRICE lebt in Zürich und zeichnet sich durch aufwendige Klanglandschaften, Kostüme und Bühnenbilder aus, die oft in kollaborativen Konstellationen entstehen. Auftritte u.a., Swiss Dance Days 2019, Kunsthalle Basel, Stadtgalerie Bern, Arsenic – Contemporary Performing Arts Center Lausanne und Le Bourg, Les Urbaines Festival Lausanne; Galpao Bela Maré Rio de Janeiro, Centre for Contemporary Art und KEM Warsaw; Centre Culturel Suisse, Paris, Beursschouwburg, Performatik Festival, Brüssel, Burgtheater Kasino im ImPulsTanz Festival, Wien, Human Resources Los Angeles, Galleria Fonti Napoli, Bourse de Commerce – Pinault Collection Paris.
Margaux Schwarz lebt in Brüssel und ist eine französische Künstlerin und Forscherin. Ihre Arbeit nimmt viele Formen an, wie Gesprächsperformances, Klangstücke, Kurzgeschichten, Skripte oder Veranstaltungen. Ihre Doktorarbeit (UHasselt / PXL-MAD School of Arts) stützt sich auf Bereiche wie digitale Anthropologie oder Arbeitssoziologie. Sie erforscht Machtstrukturen in Sprache und Kommunikation mit einem besonderen Schwerpunkt auf performativen Strategien, die in sozioprofessionellen Interaktionen eingesetzt werden.
Noemi Weber lebt in Düsseldorf und reorientiert die historisch konventionelle Kontextualisierung von gestischer Malerei und deren Bestimmung, indem sie deren formale Verstrickungen mit Ornament und Tanz aufdeckt und ausarbeitet. Aktuelle Ausstellungen: Kunsthalle Bremen, 2022, Mouches Volantes, Köln 2021 mit Milena Weber; Simultanhalle / PiK, Köln 2018; Tyson Galerie, Köln 2018.
BIOGRAFIE KURATOR:INNEN
Paolo Baggi ist als freischaffender Kurator in der Schweiz tätig. Zuletzt hat er die Gruppenausstellung “La réforme de Pooky” in der Kunsthalle Friart in Fribourg (CH), co-kuratiert. 2021 absolvierte er ein Praktikum bei WIELS in Brüssel (BEL). Zwischen 2017 und 2020 war er Co-Manager und Co-Kurator des Programms des unabhängigen Kunstraums WallRiss in Fribourg, zusammen mit Künstler:innen und Grafikdesigner:innen. Seit 2020 arbeitet er bei den Swiss Art Awards als künstlerischer Koordinator.
Florentine R. Muhry arbeitet als freischaffende Kuratorin und als wissenschaftliche Mitarbeiterin am DFG-Graduiertenkolleg 2477 “Ästhetische Praxis” an der Universität Hildesheim, wo sie zu den Arbeiten von Rasheed Araeen promoviert. Zuvor war sie wissenschaftliche Volontärin an der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen sowie Assistenzkuratorin am Museum für Kunst und Gewerbe und an der Halle für Kunst Lüneburg. Seit 2018 betreibt sie den Kunstraum www.muhry.com.