Bücher für Europa

 

Bücher über das Wandern gibt es viele. Aber wandernde Bücher? Inspiriert vom „Wanderbuch“ des Dortmunder Arbeiterdichters Erich Grisar hat die Direktorin des Fritz-Hüser-Instituts, Dr. Iuditha Balint, fünf Bücher auf eine Reise durch Europa geschickt.

Erich Grisar war ein Dortmunder Arbeiterdichter, Fotograf und Journalist. Für Reisereportagen, die jenseits der üblichen Touristenrouten lagen und etwa Arbeitermilieus in Warschau, Amsterdam oder London beschrieben, war Grisar von 1920 bis 1952 in ganz Europa unterwegs. Fester Bestandteil seines Reisegepäcks war ein kleines Notizbüchlein, das er »Wanderbuch« getauft hatte. Insgesamt 62 Einträge finden sich darin, von so bekannten Persönlichkeiten wie Bertolt Brecht, Erich Kästner, Martin Andersen Nexø und Arno Holz.

Rückkehr ungewiss

Für das Projekt »to cross all frontiers. Ein Wanderbuch für Europa« haben Dr. Iuditha Balint, Direktorin des Fritz-Hüser-Instituts für Literatur und Kultur der Arbeitswelt (FHI), und ihre Kooperationspartnerinnen Anna Kemperdiek (Bochum) und Rosie Shackleton (Edinburgh) fünf Reproduktionen dieses Wanderbuchs mit fünf leeren Notizbüchern auf eine erneute Reise durch Europa geschickt. Per Post, wie Iuditha Balint erklärt: „Zum 100-jährigen Jubiläum von Grisars Wanderbuch wollten wir die Vergangenheit mit der Gegenwart verbinden. So haben wir Menschen gebeten, ihre Gedanken in ihnen festzuhalten und die Notizbücher an Freund*innen und Bekannte zu versenden. An wen sie weitergeschickt und ob sie jemals ins FHI zurückkehren würden, wussten wir nicht.“ Im Oktober 2019 gingen die Büchlein auf Reisen, Anfang 2021 ist das letzte nach Dortmund zurückgekehrt – aus Armenien, das zu diesem Zeitpunkt noch Kriegsgebiet war. „Die Freude über die Rückkehr dieses Exemplars ist besonders groß, denn die Frau, die uns das geschickt hat, hatte aufgrund des Krieges große Schwierigkeiten, das Buch zur Post zu bringen“, so Balint weiter.

Einträge spiegeln Bandbreite des Lebens

Die Bücher waren in über zwölf Ländern, bei über 20 Menschen, haben außer Krieg Corona und den Brexit erlebt. Sie enthalten Einträge über Kunst, Depression und Hoffnung und die Schönheiten des Lebens. Laut Rosie Shackleton sind sie der materielle Beweis dafür, „dass Kommunikation und Empathie keine Grenzen kennen: Für mich als Engländerin und in einer Post-Brexit-Zeit sind in diesem Projekt die Verbindungen wichtig, die wir zwischen Menschen geschaffen haben oder die durch dieses Projekt entstanden sind. Sie geben mir viel Hoffnung für die Zukunft!“ Anna Kemperdieck teilt die Begeisterung der Kollegin: „Es ist toll, dass so viele Menschen mitgemacht und uns vertraut haben. Es war einfach ein riesiges Teamwork.“

Wo die sechs Wanderbücher waren, wen sie getroffen und was sie erlebt haben, zeigen die Routen und die Einträge auf der Webseite wanderbuch.de

Für Interessierte gibt es außerdem die Möglichkeit, Grisars Wanderbuch und die fünf neuen Wanderbücher im Archiv des Fritz-Hüser-Instituts anzuschauen und durchzublättern.

Weitere Infos zum Fritz-Hüser-Institut findet ihr hier!


»to cross all frontiers. Ein Wanderbuch für Europa« ist ein Projekt des Fritz-Hüser-Instituts im Rahmen des Festivals »europa:westfalen«. Es wird ermöglicht durch die freundliche Unterstützung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW, des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) und der LWL-Kulturstiftung. Koordiniert wird das Projekt vom Westfälischen Literaturbüro in Unna. Die Fritz Hüser-Gesellschaft trägt die Kosten für die Domain.


 

Trotz der Kriegswirren in Armenien kehrte dieses Wanderbuch zurück ins Fritz-Hüser-Institut. (Foto: Fritz-Hüser-Institut)