’schauraum: comic + cartoon‘ zeigt Horror im Comic

 

„Horror im Comic“, kuratiert von Dr. Alexander Braun, präsentiert vom 18. Februar bis zum 14. August anhand von Originalzeichnungen 70 Jahre Comic-Horror: von Dracula und Frankenstein über Geister und Dämonen bis zur Zombie-Invasion der Walking Dead und japanischem Manga-Gore.

Horror-Comics gibt es seit den frühen 1950er-Jahren. Sofort wurden sie von den konservativen Kräften der amerikanischen Gesellschaft während der McCarthy-Jahre angefeindet: Eltern, Lehrkräfte, Kirchen, konservative Politiker*innen wünschten solche Lektüre für die amerikanische Jugend nicht, und der deutschsprachige Psychiater Dr. Fredric Wertham bestätigte: „Wenn Kinder das lesen, werden sie kriminell.“

Der „Comics Code“: Eine Branche übt Selbst-Zensur

Im Zentrum der jahrelangen Auseinandersetzungen stand der EC-Verlag, Marktführer und Primus in Sachen Qualität. Kein anderer Verlag hatte so brillante Autor*innen und Zeichner*innen zu bieten, niemand sonst setzte sich – neben den Unterhaltungsaspekten von Spannung und Grusel – so vehement für die Werte der Verfassung ein: gegen Rassismus, Antisemitismus, Bigotterie und Militarismus.

Es half alles nichts. Von einem Untersuchungsausschuss des Senats in die Enge getrieben, verabschiedete die Comic-Industrie 1954 einen Selbstzensur-Code, der quasi alle „erwachsenen“ Themen bannte: nicht nur Horror und Crime, sondern auch jegliche politischen, religiösen oder gesellschaftskritischen Themen. Viele talentierte Zeichner*innen suchten sich nun andere Jobs und kehrten dem Medium für immer den Rücken. Solch eine Zensur ist eigentlich ein No-Go für westliche Demokratien – doch Horror-Comics waren während der 1950er-Jahre zu subversiv, zu gesellschaftskritisch und zu autonom. Jahre vor dem Siegeszug des Rock’n’Roll bildeten sie eine eigene, unerwünschten Jugendkultur.

Grusel, Erotik und klassische literarische Figuren

Ab den späten 1960er-Jahren setzte langsam eine Liberalisierung ein. 1964, der Zensur-Code war noch in Kraft, gab Verleger James Warren die Magazine „Creepy“ und „Eerie“ heraus – in größerem Magazin-Format und in Schwarz-Weiß, um nicht als Comic-Heft zu gelten. Als sein Verlag später ins Schlingern geriet, rettete sich Warren erfolgreich mit der Idee, Grusel und Erotik zu kombinieren: Sein neuer Star mit eigenem Magazin war ab 1969 Vampirella, weiblicher Vampir und Pin-Up-Heroine in Personalunion.

Horror wurde zu einer festen Größe der Pop- und Comic-Kultur: Klassische literarische Figuren wie Vampire, Werwölfe, das Monster von Frankenstein, auch Autoren wie Edgar Allan Poe und H.P. Lovecraft – alle waren sie jetzt auch im Comic präsent. Dazu Geister, Dämonen, Hölle und Okkultismus, sowie harter Manga-Gore aus Japan, entstanden unter dem Eindruck der Atombomben-Gräuel von 1945. Anfang der 2000er-Jahre verließen dank „The Walking Dead“ (der Comic ab 2003, die TV-Serie ab 2010) sogar die Zombies endgültig die Schmuddeligkeit von Bahnhofskinos und wanderten geradewegs in die Mitte der Gesellschaft.

Warum der ganze Horror?

Warum soll man sich Bilder antun von abgetrennten Armen und Beinen oder zu Brei geschlagenen Köpfen? „Horror repräsentiert immer den Entwurf einer Gesellschaft in Unordnung. So werden die Bilder im Horror immer dann besonders drastisch und grausam, wenn eine Gesellschaft ihre Perfektion und Makellosigkeit behauptet, oder ihre realen Grausamkeiten zu kaschieren versucht“, sagt Kurator Dr. Alexander Braun.

„Wenn der Zeitgeist nach konformer Schönheit strebt, dann dreht Horror den menschlichen Körper einfach auf links und beweist, dass dieser nach wie vor aus Knochen, Fleisch, Blut und Innereien besteht.“

Die Ausstellung präsentiert anhand von 72 Originalwerken und vielen seltenen Archivalien 70 Jahre Comic-Horror. Sie erzählt unter anderem von den italienischen „Fumetti Neri“ (Schwarze Comics), die im Nachkriegs-Italien von Millionen Italiener*innen gelesen wurden und den Boden für die ebenso erfolgreiche wie ambitionierte Reihe „Dylan Dog“ bereiteten. Sie stellt ebenso japanischen Horror als Kapitalismuskritik vor wie auch Horror in Science-Fiction und in der Tiefsee.

Katalog und Rahmenprogramm

Zur Ausstellung wird ein 456 Seiten starker Katalog (avant-verlag, Berlin) zum in der Ausstellung ermäßigten Preis von 39 Euro erscheinen.

Die Ausstellung wird von einem umfangreichen Rahmenprogramm begleitet. So wird am 31. März Dr. Mark Benecke, Deutschlands bekanntester Kriminalbiologe, zu Besuch sein, um das Genre auf den Prüfstand der Wissenschaft zu stellen. Am 7. April steht der beliebte „Comic-Streit“ im Zeichen des Horrors.


Zum Thema

Die Ausstellung läuft bis 14. August 2022 im „schauraum: comic + cartoon“, Max-von-der-Grün-Platz 7, 44137 Dortmund. Der Eintritt ist frei – Jugendliche ab 16 Jahren sind willkommen. Weitere Informationen finden Sie online.


 

Die Besucher*innen werden von Frankensteins Monster begrüßt (Foto: Stadt Dortmund / Katrin Pinetzki)