Museum Ostwall zeigt Ausstellung der MO-Kunstpreisträgerin Valie Export

 

Der 7. MO-Kunstpreis „Dada, Fluxus und die Folgen“ geht in diesem Jahr an die Österreicherin Valie Export. Die dazugehörige Ausstellung im MO-Schaufenster ist jedoch vorher zu sehen: Sobald die Museen wieder öffnen dürfen, zeigt das Museum Ostwall die Ausstellung „Valie Export. Irritation des Blicks“.

Der 7. MO-Kunstpreis „Dada, Fluxus und die Folgen“ geht in diesem Jahr an die Österreicherin Valie Export: Die Freunde des Museums Ostwall im Dortmunder U haben sich entschieden, eine international bedeutende Pionierin der Medien-, Performance- und Filmkunst und Wegbereiterin der feministischen Kunst zu würdigen. Die für Dezember geplante Verleihung des Kunstpreises wurde corona-bedingt auf April 2021 verschoben. Die dazu gehörige Ausstellung im MO-Schaufenster ist jedoch vorher zu sehen: Sobald die Museen wieder öffnen dürfen, zeigt das MO in seinem MO Schaufenster die Ausstellung „Valie Export. Irritation des Blicks“ (bis 2. Mai 2021).

In ihrem Werk thematisiert und hinterfragt Valie Export (Jahrgang 1940) den gesellschaftlichen Blick auf unser Körperbild und insbesondere auf das der Frau. Welchen Einfluss haben unsere Sprache, unsere Umgebung und Herkunft auf den eigenen Körper? Welches Bild konstruieren die Medien, die bis heute an der Wahrnehmung von Stereotypen mitwirken? Ihre spektakulären Performances und Aktionen vor allem in den 1960er- und 70er-Jahren waren provokant und direkt. Sie sorgten für Aufruhr in der bürgerlichen Öffentlichkeit. Der Grund dafür: Es ist der eigene Körper, an dem sie exemplarisch ihre Ansichten und Dekonstruktionen darstellt. Er steht im Zentrum und entlarvt bis dahin Unsichtbares.

Ankauf der Foto-Dokumentation von „Homo Meter II“

Mit dem MO Kunstpreis verbunden ist ein Ankauf durch die Freunde des Museums Ostwall e.V. In diesem Jahr wird die Sammlung herausragend bereichert durch die fotografische Dokumentation der Straßenaktion „Homo Meter II“ (1976).

Valie Exports Aktionismus und fortwährende Auseinandersetzung mit dem weiblichen Körper und der Frage, welche Rolle diesem im gesellschaftlichen Miteinander zugeschrieben wird, verbindet sie mit der Fluxus-Bewegung. Die Beschäftigung mit Gender- und Identitätsfragen ist für Museen im 21. Jahrhundert selbstverständlich. Der MO-Kunstpreis bietet in diesem Jahr die Möglichkeit, eine entscheidende Lücke im Sammlungsbestand zu schließen, da Künstlerinnen in der Sammlung deutlich unterrepräsentiert sind und die feministische Kunst seit den 1960er-Jahren kaum vertreten ist.

Die Ausstellung „Irritation des Blicks“

Die Ausstellung im MO Schaufenster zeigt die verschiedenen medialen und inhaltlichen Facetten ihres Schaffens. Valie Exports Themen sind heute noch so aktuell wie damals.

Nach dem Besuch der Kunstgewerbeschule in Linz beginnt Valie Export ab 1960 in Wien ein Studium für Textilindustrie. Wien wird zum Nährboden ihrer Kreativität und ihres Widerstandes. Zu ihren ersten filmischen Arbeiten gehört „Selbstporträt mit Kopf“ (1966/1967). Geschminkt und mit einer auffallenden Perücke liebkost sie lasziv eine anonyme Frauenbüste. Valie Export tritt dieser traditionsbehafteten Büste, die in ihrer Darstellung durch den männlichen Blick geprägt ist, als lebendiges Pendant gegenüber, das bewusst und überzogen mit den Klischees von Weiblichkeit spielt.

1967 legt sie ihren bürgerlichen Namen (Waltraud Lehner) ab und tritt nur noch unter der Bezeichnung Valie Export als Ausdruck einer neuen Identität auf. Hierbei wandelte sie das Logo der Zigarettenmarke „Smart Export“ um.

Legendäre Aktionen und Performances

In ihren legendären Aktionen und Performances in den 60er und 70er-Jahren wie „Aktionshose: Genitalpanik“ (1969) und „Tapp- und Tastkino“ (1968) verbindet sie Feminismus und Kino. Sie benutzen den weiblichen Körper als Material und befassen sich mit der Überschreitung sexueller Tabus. Als Valie Export tritt sie aus der Rolle der passiven Frau und dem Objekt der Begierde des Mainstreamkinos und zeigt sich als selbstbewusstes und zur Konfrontation fähiges Subjekt. Aus der Auseinandersetzung mit dem Ich und dem Körper wird eine Auseinandersetzung mit dem Bild der Frau, und damit mit dem Blick, der den Körper gestaltet. hat in ihren Aktionen, Performances, Videos, Computerbildern immer neue Möglichkeiten entwickelt, diese „Irritation des Blicks“ zu erreichen.

Der Körper als Terrain der Auseinandersetzung

Die politische Bedeutung des Werkes von Valie Export muss vor dem Hintergrund der 60er-Jahre und der ersten Hälfte der 70er-Jahre gesehen werden. Ihre radikalen Arbeiten entstanden in der einengenden österreichischen Nachkriegsgesellschaft und dem dort vorherrschenden rigiden Katholizismus.

Der Körper als Terrain der Auseinandersetzung mit der sozialen Wirklichkeit findet sich in verschiedenen Aktionen, z.B. in ihrer tätowierten Einschreibung von „Weiblichkeitssymbolen“: 1970 lässt sie sich in Frankfurt öffentlich auf einer Bühne einen Strumpfbandhalter auf ihren Oberschenkel tätowieren und bekennt sich damit zu einem persönlich gelebten Widerstand gegen Sexismus.

Für ihre Straßenaktion „Homo Meter II“ (1976) bindet sich die Künstlerin einen Brotlaib vor ihren Bauch und bietet den Passant*innen in der Mariahilferstraße in Wien an, sich mit dem Brotmesser ein Stück davon abzuschneiden. Brot, symbolisch für Erde, Ernährung, aber auch für den menschlichen Leib und Mutterschaft, wird hier zum Thema einer Performance und eines fotografischen Zyklus.

Beziehungen zwischen Frau und Stadt

Valie Export fotografiert sich seit 1972 immer wieder in und mit Architektur, um die Beziehungen zwischen Frau und Stadt zu dekonstruieren. In den/ihren „Körperkonfigurationen“ aus dem Jahr 1982 dient ihr Körper als eine Art Messinstrument, mit dem sie repräsentative Bauten nachzeichnet. Mit ihren Körperhaltungen macht sie Formen sichtbar und erobert sich männlich dominierte Architektur zurück.

Valie Exports spätere Skulpturen wie die „Scherentänzerinnen“ (2008) visualisieren ein Kernprinzip ihrer Arbeiten: gewohnte Alltagshandlungen zu hinterfragen. Die ineinander gesteckten Scheren irritieren. Durch die Verschränkung sind sie ihrer alltäglichen Funktion beraubt. Dabei wirken sie bedrohlich und grazil zugleich.

Als Medien- und Performancekünstlerin gehört Valie Export zu den bedeutendsten Künstlerinnen der Gegenwart. Ihre Werke sind in Sammlungen internationaler Museen vertreten, u. a. in der Tate Modern, im „MOMA“ New York, dem „MUMOK“ Wien und der Julia Stoschek Collection, Düsseldorf. Ihr Vorlass befindet sich im Valie Export Center in Linz, Forschungszentrum für Medien- und Performancekunst.

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